Biographie


Eine detaillierte Lebensbeschreibung findet man in allen Werkausgeben oder Biographien, z.B. der von Scherer.


Hier nur eine kurze Übersicht über Bürgers Leben: 

 1747 Gottfried August Bürger wird am 31. Dezember als Sohn des

Pfarrers Johann Gottfried Bürger in Molmerswende am Harz

geboren.

 1759-60  Besuch der Stadtschule in Aschersleben
 1760-63  Besuch des Pädagogiums der Franckeschen Stiftungen in Halle
 1764-67  Theologiestudium an der Universität Halle
 1768-72  Jurastudium an der Georgia Augusta in Göttingen
 1771

Freundschaft mit Mitgliedern des Göttinger Hain, erste

poetische Arbeiten und Übersetzungen

 1772-84  Gerichtshalter (Amtmann) in dem von Uslarschen Gericht

Altengleichen mit Sitz in Gelliehausen bei Göttingen

 1773  Bürgers Ballade "Lenore" erscheint im Göttinger Musenalmanach

auf 1774

 1774  Bürger befreundet sich mit der Familie des Niedecker

Amtmanns Johann Carl Leonhart. Heirat mit Dorothea

Marianne (Dorette) Leonhart.

Gleichzeitige Liebe zu ihrer jüngeren Schwester Auguste

("MoIly").

 1776  Bürger leidet unter den drückenden Amtsgeschäften, die

seinen dichterischen Neigungen entgegenstehen. Beginn

seiner Liebesgedichte an Molly

 1778 Eine erste Ausgabe seiner "Gedichte" erscheint.
 1779-94  Herausgabe der Göttinger Musenalmanachs
 1780-84  Pacht des Gutes Appenrode, nachfolgend wirtschaftliche

Schwierigkeiten und Schulden.

Bürgers Frau Dorette billigt eine Ehe zu dritt, die Liebe

ihres Mannes zur Schwester Auguste

 1783  Nach erneuten Streitigkeiten mit der Familie von Uslar

gibt Bürger seine Amtmannstelle auf

 1784 Dorette Bürger stirbt an den Folgen der Geburt

einer Tochter.

 1784-94  Bürger ist Privatdozent, später außenordentlicher Professor

an der Universität in Göttingen. Er hält Vorlesungen über

Ästhetik, deutsche Sprache, deutschen Stil und Philosophie.

 

1785

 Heirat mit Auguste Leonhart, der Schwester Dorettes, seiner

geliebten "Molly"

 1786 Molly stirbt an den Folgen der Geburt einer Tochter.

Erste Ausgabe von Bürgers "Münchhausen" (anonym)

 1789 Zweite Ausgabe der Gedichte in 2 Bänden.

Bürger erhält den Titel eines außerordentlichen Professors.

Im Mai Aufenthalt in Langendorf bei seiner Schwester

Friederike Müllner; dort lernt er den 17jährigen

Friedrich von Hardenberg (Novalis) kennen.

 1790 Heirat mit der Stuttgarterin Elise Hahn, dem „Schwabenmädel“.
 1791 Schillers anonym veröffentlichte Kritik an seinen Gedichten

trifft Bürger sehr in seinem Selbstverständnis als Dichter.

 1792 Scheidung von Elise Hahn, die ihn schamlos hinterging und

zum Gespött der Göttinger Gesellschaft machte.

 1794  Am 8. Juni stirbt Bürger in Göttingen, vereinsamt, krank

und mittellos.


 



Bürger und die deutsche Sprache

Bürger war nicht nur Poet. Immer war er auch Philologe, der durch Übersetzungen Homers, Vergils und Shakespeares sowie durch seine eigenen dichterischen Arbeiten grundlegende Einsichten in Grammatik, Metrik und Rhythmik gewonnen hatte.


Einige seiner diesbezüglichen Schriften:


- Herzensausguß über Volkspoesie (1776)

- Vorschlag zu einem deutschen Rechtschreibungsvereine (1782), in DIE ZEIT

  Nr. 1 vom 30.Dezember 2004 nachgedruckt!

- Über die deutsche Rechtschreibung (1782)

- Über deutsche Sprache (1783)

- Anweisung zur deutschen Sprache und Schreibart auf Universitäten (1787)


Noch das "Brockhaus´ Conversations-Lexikon“ von 1882 rühmt die Bedeutung Bürgers für die deutsche Sprache. In der "Zeitschrift für Deutsche Wortschöpfung" von 1912/13 stellt Charles Reining in seinem Beitrag "G. A. Bürger als Bereicherer der deutschen Sprache" eine Liste von 1018 Worten zusammen, die auf Bürger zurückgehen. Besonders in Zusammenhang mit seinen Übersetzungen hat Bürger viele neue Worte geprägt, meist Zusammensetzungen : "Gleiche Wirkung mit den alten Worten haben, wenn ich nicht irre, auch die ganz neuen, die aber der Übersetzer selbst gebildet haben muß, ...Denn das muß einem Übersetzer des Homer schlechterdings erlaubt sein, wie ein zweiter Shakespeare oder Klopstock despotisch mit der Sprache umzugehen".

   

Viele dieser Wortbildungen sind auf Bürgers Werke beschränkt geblieben, sind im

Zusammenhang jedoch sehr treffend, hier drei Beispiele:

            

Sollen wir gegen einander hier hadern, etwa wie Weiber,

Welche, innig vergröllt von herzannagender Zwietracht,

Schimpfend gegen einander die Mitte der Gasse betreten?

    

Denn es grasten von ihm drei tausend Stuten im Marschland,

Mutterstuten, einherstolzierend mit zierlichen Füllen.

     

Kundig der Gegenwart, der Vergangenheit, und der Zukunft,

Hatt' er gen Ilion schon der Danaer Schiffe geleitet,

Durch die Seherkunstdie ihm Apollon verliehen.

     

Anders ist es mit der folgenden Auswahl von Worten, die alle auf Bürger zurückgehen:

        

Ackerflur    Adelsbrut     allnächtlich    Blätterfall     Birkenhain     Feierlied

Friedensbund    Gemeingut     Haremswächter      Lausejunge     querfeldein

sattelfest     Volksgewimmel      Wagemuth      Wolkendecke      wonnetrunken

Zottellöckchen

        

Wer denkt bei deren Verwendung schon daran, dass es sich um Schöpfungen Bürgers handelt.

      

         

Bürgers Übersetzungstätigkeit
 
Die Beschäftigung mit griechischer Literatur war zu Bürgers Zeiten sehr verbreitet. 1769 tritt Bürger erstmalig mit dem Gedanken an die Öffentlichkeit, Homer auf neue Art zu übersetzen. Er wandte sich gegen eine Übersetzung in Hexametern „und legte den Hauptwert darauf, dass sich der Übersetzer kräftiger und edler, wenn auch veralteter Ausdrücke bediene, um so der Altehrwürdigkeit des Originals möglichst nahe zu kommen“ (Wolfgang von Wurzbach in der Einleitung zu seiner Bürger-Ausgabe, Max Hesses Verlag, Leipzig). 1771 veröffentlichte 425 Verse der Ilias auf deutsch in Jamben gesetzt. Wegen mangelnden Interesses der Öffentlichkeit kam Bürger erst 1776 auf dieses Thema zurück. In einem Prolog fragte er das deutsche Publikum, ob es einen solchen Homer verlange. Eine Antwort kam aus Weimar. Goethe, seine Freunde und der weimarische Hof zeigten darin den lebhaftesten Anteil an seinem Vorhaben und boten ihm, wenn er sich entschließe, das Werk zu vollenden, ein Geschenk von 65 Louisdor. Daß es gerade Goethe war, der ein solches Interesse an seinem Plan bekundete, erfüllte Bürger mit stolzer Freude. 1776 erschien seine Übersetzung des VI. Gesanges. Die Kritik Klopstocks und die Konkurrenz des Grafen Stolberg, der eine Ilias-Übersetzung in Hexametern vorlegte, verleidete Bürger die weitere Übersetzertätigkeit. Selbst weitere 51 Louisdor aus Weimar konnten daran nichts ändern – daß darunter das Verhältnis zu Goethe litt, ist leicht nachzuvollziehen. Ähnlich unstet arbeitete Bürger an einer Shakespeare-Übersetzung. Für eine Theateraufführung wollte er den „Macbeth“ übersetzen, kam letztlich aber über die Hexenszenen nicht hinaus. Aus finanziellen Gründen hat Bürger aus dem Englischen, Französischen und Italienischen übersetzt, so 1792 „Benjamin Franklins Jugendjahre, von ihm selbst für seinen Sohn beschrieben und übersetzt von G. A. Bürger“; dieses Buch soll weite Verbreitung gefunden haben. Noch zwei Jahre vor seinem Tod erlernte Bürger das Schwedische.

 
Bürger als Amtmann

Der fast immer von Schulden geplagte Bürger wurde am 27. Juni 1772 zum Gerichtshalter des von Uslarischen Gesamtgerichts Altengleichen gewählt.

Vorangegangen war ein erbitterter Widerstand des Obristen Adam Henrich von Uslar auf Elbickerode, der einen eigenen Schützling für das Amt einsetzen wollte. Auch nach der Ernennung Bürgers leistete dieser Obrist weiterhin starken Widerstand, allerdings ergebnislos. Auch war das Amt durch den Vorgänger vernachlässigt worden. Bürger stürzte sich in die Arbeit, verlor aber seine dichterische Arbeit nicht aus dem Auge: die "Lenore" entstand, die seinen Ruhm als Dichter begründete. Die Amtsführung widerte ihn mehr und mehr an. Er charakterisierte sich selbst so: "Ich bin eine so faule Bestie selber, daß ich noch Amt, Haus und Hof drüber werde verlaufen müssen."  "Bürger war nur Amtmann, wenn er es sein mußte, wenn der Strafbefehle so viel geworden waren, daß ihm seine Ruhe zu kostspielig wurde. " Sehr genau charakterisierte sich Bürger selbst in seinem Brief an seinen Schwager Georg Leonhart (Appenrode, 22.Juli 1782):

"Nunmehr ist mir die Verfertigung der Rechnungen gar bei Strafe des Personalarrestes binnen 4 Wochen aufgegeben, wovon schon eine Woche verlaufen ist. Es ist gar nicht anders, als ob mich der leidige Satan selbst von einem Tage zum anderen abhielte. Dabei habe ich Tag und Nacht eine Unruhe auf dem Balge, als ob ich einen ermordet hätte. Darüber geschieht denn nun platterdings gar nichts. Alles, was an Briefen und Papieren ankommt, wird auf den Tisch eins übers andere geworfen, und wenn nun vollends so Kraut und Rüben da durcheinander liegen, so graut mich noch mehr vor der Aufräumung des alten Mistes. Ich stehe mit dem Vorsatze auf, den Tag über recht viel zu beschicken, und kommt der Abend heran, so ist nichts geschehen. Manchmal möchte ich meinen ganzen Papierplunder ins Feuer werfen, und alsdann auf und davon gehen. Weil ich nun auf d i e Weise auf mich selbst so unzufrieden seyn muß, und so mancherlei andre Fatalitäten dazu kommen, so werde ich an Leib und Seele krank, und gerathe in eine Art Kraftlosigkeit und Erschlaffung, die mich und alle meine

interessantesten Angelegenheiten vollends dahin opfert. O, was bin ich für ein

unglückseliges Geschöpf!"

Seiner Entlassung aus dem Amte kam Bürger durch eigenen Rückzug am 24. Juni 1784 zuvor.

          

Wohl nur einmal hatte Bürger aus seiner Amtstätigkeit auch für sein dichterisches Werk Gewinn gezogen. Er hatte einen Prozeß gegen eine Kindsmörderin zu führen. Diese Aufgabe hat er offensichtlich mit viel Menschlichkeit und großem juristischen Sachverstand gelöst. D. Justus Claproth, ordentlicher Lehrer der Rechte, veröffentlichte die entsprechende Gerichtsakte 1782 "zum Gebrauch praktischer Vorlesungen". H. Günther greift das Thema in "Vermutungen über ein argloses Leben" auf und veröffentlicht auch Bürgers Protokoll von 1781. Der dichterische Gewinn ist "Des Pfarrers Tochter von Taubenhain". Zwar ist die Problematik des Kindsmordes hier eine etwas andere, aber der Prozeß mag Bürger bewogen haben, ein älteres Projekt zum Abschluß zu bringen.

Historisch interessant ist, dass noch zu Bürgers Lebzeiten 1780 die Molmers-wender Kindsmörderin Elisabeth Voigtländer gerädert wurde - allerdings war sie vorher schon umgebracht worden. Davon dürfte jedoch Bürger kaum Kenntnis erhalten haben.

        

          

Bürger und der Göttinger Hain

 

Unter Führung von Heinrich Christian Boie (1744 - 1806) fand sich in Göttingen 1772 ein Bund von jungen Dichtern, und solchen, die es werden wollten, zusammen. Mitglieder waren unter anderem Johann Heinrich Voß, Ludwig Christoph Hölty sowie die Reichsgrafen Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg. Der auf die Ewigkeit angelegte Bund hielt jedoch nur zwei Jahre. Eine genaue Analyse des Bundes findet man in Scherers Biographie.

Hier sei nur verkürzend darauf hingewiesen, dass im Hain eine Auseinander-setzung geführt wurde zwischen den Ideen Klopstocks, die für sie  Vaterland und Freiheit bedeuteten, und Wielands, den sie als Sittenverderber und  französischen Hundsfott betrachteten . Bis zur Verbrennung von Wielands "Idris" gingen die Methoden. Bürger teilte längst nicht alle Meinungen des Hains, wurde selbst nicht Mitglied des Bundes, blieb aber vielen Mitgliedern noch lange persönlich verbunden. Eine nicht unwichtige Rolle spielte der Hain bei der Entstehung von Bürgers "Lenore". Nachdem Bürger die erste Strophe an die Hainbündler geschickt hatte, nahmen diese ungeduldig Anteil am weiteren Fortschreiten des Werkes. Eine Lithographie von Fuhr und Holzhammer zeigt Bürger, als er dem Göttinger Hain seine "Lenore" vortrug.






Die Münchhausen-Geschichten

Geschichten vom Baron Münchhausen kennt sicher jeder. Aber nicht alle wissen, dass dieses Volksbuch von G. A. Bürger geschrieben wurde. Das hängt auch damit zusammen, dass die erste Auflage von „Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, wie er dieselben bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde zu erzählen pflegt. Aus dem Englischen.“ 1786 bei Dieterich in Göttingen anonym, also ohne Angabe eines Verfassers erschien. Der Grund dafür dürfte sein, dass Bürger um seinen ohnehin ramponierten Ruf (man denke an die dritte Ehe mit dem „Schwabenmädel“) an der Universität Göttingen fürchtete. Die englische Vorlage des Buches stammt von Rudolf Erich Raspe (1737 – 1794), einem wegen Veruntreuungen an den Kasseler Kunstsammlungen nach England geflohenen Professor : „Baron Münchhausens Narrative of his marvellous travels and campaigns in Russia“. Raspes Quellen führen nach Deutschland zurück und finden sich in einer Schwanksammlung „Vademecum für lustige Leute“ von 1781. Der Held der Geschichte ist eine tatsächlich existierende Person: Freiherr Karl Friedrich von Münchhausen (1720 – 1797). Er war durch sein wahrhaft geniales Erzähltalent in ganz Deutschland bekannt. Bürgers Leistung bestand vor allem darin, die ursprünglich siebzehn Raspeschen Geschichten um insgesamt 13 neue erweitert zu haben. Diese gehören sicher zu den besten:

- wie er Enten mit Speck fängt und sich von ihnen in die Luft erheben läßt

- wie er Hühner mit dem Ladestock schießt

- wie er sich nebst seinem Pferde am eigenen Haarzopf aus dem Moraste zieht

- wie er auf der Kanonenkugel ritt.

Unterstützung beim Münchhausen erhielt Bürger durch seinen witzigen und belesenen Freund, den Physiker Georg Christoph Lichtenberg.





Parodien zu Bürgers Gedichten

 

Die kürzeste Parodie

 

Bürgers wohl bedeutendste Ballade „Lenore“ beginnt mit

 

Schon zu Bürgers Lebzeiten war das einigen Lesern zu lang. Daher die Kurzform:

 

Lenore fuhr um’s Morgenroth

Empor aus schweren Träumen:

„Bist untreu, Wilhelm, oder todt?

Wie lange willst du säumen?“ –

Er war mit König Friedrichs Macht

Gezogen in die Prager Schlacht,

Und hatte nicht geschrieben.

.

Und endet mit Strophe 32 (zweiunddreißig!):

.

„Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,

Rund um herum im Kreise,

Die Geister einen Kettentanz,

Und heulten diese Weise:

„Geduld! Geduld! Wenn’s Herz auch bricht!

Mit Gott im Himmel hadre nicht!

Des Leibes bist du ledig;

Gott sey der Seele gnädig!“

 

 

 

Lenore fuhr um’s Morgenroth

 

Und als sie rum war,

 

war sie tot.

 

                                                                                                        

Schiller und Bürger

Bürger schrieb 1778 das Gedicht „Männerkeuschheit“

 

Schillers Parodie

Wer nie in schnöder Wollust Schoß

Die Fülle der Gesundheit goß,

Dem steht ein stolzes Wort wohl an,

Das Heldenwort: Ich bin ein Mann.

 

Denn er gedeiht und sprosst empor,

Wie auf der Wies’ ein schlankes Rohr;

Und lebt und webt, der Gottheit voll,

An Kraft und Schönheit ein Apoll.

.

Die Fülle seines Leibes glänzt

Wie Wein von Rosen rund umkränzt.

Sein glücklich Weib an seiner Brust

Berauscht sich draus zu Lieb’ und Lust.

.

.

Die alle blühn, wie sie und er,

Sie blühn und duften um ihn her,

Sie wachsen auf, ein Zedernwald,

Voll Vaterkraft und Wohlgestalt, -

 

So glänzt der Lohn, den er genießt,

So das Geschlecht, das dem entsprießt,

Der nie in schnöder Wollust Schoß

Die Fülle der Gesundheit goß.

 

Ich bin ein Mann! – wer ist es mehr?

Wers sagen kann, der springe

Frei unter Gottes Sonn einher

Und hüpfe hoch und singe!

 

Was aber ein richtiger Mann ist,

der zeigt’s dem anderen Geschlecht:

 

Und röter wird das Mädchen dann,

Und ’s Mieder wird ihr enge –

Das Mädchen weiß, ich bin ein Mann,

Drum wird ihr ’s Mieder enge.

 

Drum Pfui auch über jene Männer,

welche Keuschheit predigen, sie sind

 

Wie Wein von einem Chemikus

Durch die Retort’ getrieben:

Zum Teufel ist der Spiritus.

Das Phlegma ist geblieben.

 

Drum fliehn sie jeden Ehrenmann,

Sein Glück wird sie betrüben –

Wer keinen Menschen machen kann,

Der kann auch keinen lieben.




Bürger und Lichtenberg

„Das Mäde, das ich meine“ schrieb Bürger 1776.

          Der Naturwissenschaftler Georg Christoph Lichtenberg, der ein enger Freund   
          Bürgers in Göttingen war, reimte dazu:


DAS MÄDEL, DAS ICH MEINE.


          DIE HEXE, DIE ICH MEINE


O was in tausend Liebespracht

Das Mädel, das ich meine, lacht!

Nun sing', 0 Lied, und sag mir an!

Wer hat das Wunder aufgetan:

Daß so in tausend Liebespracht

Das Mädel, das ich meine, lacht?

          O was in tausend Zauberpracht,

          Die Hexe, die ich meine, lacht!

          Nun sing, 0 Lied, und sag's der Welt:

          Wer hat den Unfug angestellt;

          Daß so in tausend Zauberpracht

          Die Hexe, die ich meine, lacht?


Wer hat, wie Paradieseswelt,

Des Mädels blaues Aug' erhellt?

Der liebe Gott! der hat's getan,

Der's Firmament erleuchten kann;

Der hat, wie Paradieseswelt,

Des Mädels blaues Aug' erhellt.

          Wer schuf, zu frommem Trug so schlau,

          Ihr Auge sanft und himmelblau? -

          Das tat des bösen Feindes Kunst;

          Der ist ein Freund vom blauen Dunst;

          Der schuf, zu frommem Trug so schlau,

          Ihr Auge sanft und himmelblau.


Wer hat das Hot auf Weiß gemalt,

Das von des Mädels Wange strahlt? Der

liebe Gott! der hat's getan,

Der Pfirsichblüte malen kann;

Der hat das Hot auf Weiß gemalt,

Das von des Mädels Wange strahlt.

          Wer hat gesotten das Geblüt,

          Das aus den Wangen strotzt und glüht?

          Der Koch, den ihr erraten könnt,

          In dessen Küch' es immer brennt;

          Der hat gesotten das Geblüt,

          Das aus den Wangen strotzt und glüht.


Wer schuf des Mädels Purpurmund

So würzig, süß, und lieb und rund?

Der liebe Gott! der hat's getan,

Der Nelk' und Erdbeer' würzen kann;

Der schuf des Mädels Purpurrnund

So würzig, süß, und lieb und rund.

          Wer schwefelte so licht und klar

          Der kleinen Hexe krauses Haar? Hans

          Satan, der zu aller Frist

          Der größte Schwefelkrämer ist;

          Der schwefelte so licht und klar

          Der kleinen Hexe krauses Haar.


Wer ließ vom Nacken, blond und schön,

Des Mädels seidne Locken wehn? -

Der liebe Gott! der gute Geist!

Der goldne Saaten reifen heißt;

Der ließ vorn Nacken, blond und schön,

Des Mädels seidne Locken wehn.

          Wer gab zu Heuchelred' und Sang

          Der Hexe holder Stimme Klang?

          o die Musik ist dessen wert,

          Der die Sirenen trillern lehrt;

          Der gab zu Heuchelred' und Sang

          Der Hexe holder Stimme Klang.


Wer gab, zu Liebesred' und Sang,

Dem Mädel holder Stimme Klang? Der

liebe, liebe Gott tat dies,

Der Nachtigallen flöten hieß;

Der gab, zu Liebesred ' und Sang,

Dem Mädel holder Stimme Klang.

          Wer schuf, 0 Liedlein, mach es kund

          Der Hexe Brust so apfelrund? Der

          Adams Frau das Maul geschmiert

          Und ihn mit Äpfeln angeführt;

          Der schuf, zur Warnung sei es kund!

          Der Hexe Brust so apfelrund.


Wer hat, zur Fülle süßer Lust,

Gewölbt des Mädels weiße Brust?

Der liebe Gott hat's auch getan,

Der stolz die Schwäne kleiden kann;

Der hat, zur Fülle süßer Lust,

Gewölbt des Mädels weiße Brust.

          Wer hat die Füßchen abgedreht,

          Worauf die kleine Hexe geht? Ein

          Drechsler war es, der es tat,

          Der selber Ziegenfüßchen hat:

          Der hat die Füßchcn abgedreht,

          Worauf die kleine Hexe geht.


Durch welches Bildners Hände ward,

Des Mädels Wuchs so schlank und zart?

Das hat die Meisterhand getan,

Die alle Schönheit bilden kann;

Durch Gott, den höchsten Bildner, ward

Des Mädels Wuchs so schlank und zart.

          Und wer versah, so schlangenklug,

          So Herz als Mund mit Lug und Trug? Er

          tat' s, der höllische Präfekt,

          Der in die welt die Lügen heckt;

          Der, der versah, so schlangenklug,

          So Herz als Mund mit Lug und Trug.


Wer blies, so lichthell, schön und rein,

Die fromme Seel' dem Mädel ein? -

Wer anders hat's als er getan,

Der Seraphim erschaffen kann;

Der blies so lichthell, schön und rein

Die Engelseel' dem Mädel ein. -

          Wie kommt es, daß zu jeder Frist,

          April der Hexe Wahlspruch ist? Der

          Teufel, der's ihr angetan,

          Tat's ihr der Hörner wegen an;

          Denn wenn die Hexe standhaft wär',

          Wo nähm' der Teufel Hörner her?


Lob sei, 0 Bildner, deiner Kunst!

Und hoher Dank für deine Gunst!

Daß du dein Abbild ausstaffiert,

Mit allem, was die Schöpfung ziert.

Lob sei, 0 Bildner, deiner Kunst!

Und hoher Dank für deine Gunst!

          Den gnade Gott, den sie beriickt,

          Und in ihr Zaubernetz verstrickt!

          Denn, nicht für meiner Sünden Pein,

          Möcht' ich des Teufels Schwager sein.

          Drum gnade Gott, den sie berückt,

          Und in ihr Zaubernetz verstrickt!

Doch ach! für wen auf Erden lacht

Das Mädel so in Liebespracht?

o Gott! bei deinem Sonnenschein!

Bald möcht' ich nie geboren sein,

Wenn nie in solcher Liebespracht

Das Mädel mir auf Erden lacht.