Brockhaus’ Conversations-Lexikon, Leipzig 1882

„Seine Liebesgedichte, obschon er in ihnen die Liebe nicht in ihren zarten Tiefen und geistigen Elementen erfasste, sind oft hinreißend durch den vollen Klang ihrer Worte und durch ihre sinnliche und leidenschaftliche Glut. Seine Sonette gehören zu den besten, die in deutscher Sprache gedichtet worden sind. Wohl zu beachten ist auch der kräftige Mannessinn, der Haß gegen alles Schlechte, Gemeine, Despotische in manchen seiner Gedichte, wie er auch einer der ersten Deutschen war, welche die exklusive Gelehrsamkeit, den Gelehrtendünkel und die Pedanterie in der Wissenschaft mutig angriffen. Bürger ist als einer der Sprachschöpfer des 18. Jahrhunderts zu betrachten. Nicht nur, dass er ängstlich auf Korrektheit und Wohllaut des Verses hielt, so hat er auch manche fremdländische poetische Formen, wie das Sonett, in Deutschland wieder zu Ehren gebracht.“

Meyers Konversationslexikon von 1888

"Schiller wirft in seiner Rezension in der "Allgemeinen Litteraturzeitung" von 1791 B. vor, daß seine Gedichte keinen reinen Genuß böten, daß ihm durchaus der ideale Begriff von Liebe und Schönheit fehle, daher seine Gedichte zu oft in die Gemeinheit des Volkes hinabsänken, statt dieses zu sich zu erheben, daß überhaupt der Geist, der sich in seinen Gedichten ausspreche, kein gereifter sei, daß seinen Produkten nur deshalb die letzte Hand der Veredelung fehle, weil sie ihm wohl selbst fehle. Dies wenn auch strenge Urteil mag bestehen, wenn man das Gegengewicht der Vorzüge Bürgers gelten läßt. Denn die Wärme seiner Empfindung, die unmittelbaren und ergreifenden Naturtöne der Innerlichkeit, die Weichheit und zugleich die Kraft des Ausdrucks, die Mannigfaltigkeit der Formen, die er

beherrschte, werden ihm unter den deutschen Lyrikern immer einen bedeutenden Platz sichern. In der Ballade hat er (einige verfehlte abgerechnet) sehr Hervorragendes geleistet, und der melodische Fluß seiner Lieder ist oft von höchster Schönheit. Seine Übersetzungen sind, wie der Versuch einer Ilias in Jamben und seine Macbeth-Bearbeitung, meistens durch die Anwendung falscher Übersetzungsprinzipien mißlungen."



MEYERS KLEINES LEXIKON, VEB BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT LEIPZIG 1968


"Plebej.-demokrat. Schriftsteller des Sturm und Drang; war beispielgebend für die volkstüml. deutsche Balladendichtung ("Das Lied vom braven Manne", "Lenore"). B., der sich für die Französ. Revolution begeisterte, kämpfte in Gedichten und Prosaschriften gegen die Tyrannenherrschaft. Seine Bearbeitung der satir., gegen den Adel gerichteten "Wunderbaren Reisen des Freiherrn von Münchhausen" (1786) wurde ein vielgelesenes Volksbuch."


Arthur Schopenhauer (1788 – 1860)

 

„Bürger war ein echtes Dichtergenie, dem vielleicht die erste Stelle nach Goethe unter den deutschen Dichtern gebührt, da, gegen seine Balladen gehalten, die Schillerschen kalt und gemacht erscheinen.“ (1819)

 

Christoph Martin Wieland (1733 – 1813)

 

„Wer, in kurzem, wird nicht Bürgers Gedichte auswendig wissen ? In welchem Hause, in welchem Winkel Teutschlands werden sie nicht gesungen werden ? – Ich wenigstens kenne in keiner Sprache etwas Vollkommeneres, in dieser Art; nichts das dem Kenner und Nichtkenner, dem Jüngling und dem Manne, dem Volk und der Klerisei, jedem nach seiner Empfänglichkeit, so gleich angemessen, genießbar, lieb und Wert sein müsse als Bürgers Gedichte.“  (1778 im „Teutschen Merkur“)

 

Franz Mehring (1846 – 1919)

 

„Bürgers schönste Charaktereigenschaft stellt ihn uns Modernen besonders nahe. Er war, was er hieß. Die stolze, bürgerliche Unabhängigkeit seines ganzen Wesens teilt er unter den deutschen Dichtern des vorigen Jahrhunderts nur noch mit Lessing. Diese beiden besaßen in vollstem Maße, was wir als unseren besten Erwerb zu betrachten gewohnt sind und was wir an ach! So vielen unserer geistigen Heroen schmerzlich vermissen. Bürger übte den „Mannesstolz vor Königsthronen“; er hat sich nie an die Großen dieser Welt herangedrängt. In ihm schlug eine volle, demokratische Ader.“ (1874)

 

Friedrich Schiller (1759 - 1805)

 

„Sein Äußerliches verspricht wenig – es ist platt und fast gemein, dieser Karakter seiner Schriften ist in seinem Wesen angegeben. Aber ein gerader ehrlicher Kerl scheint es zu seyn, mit dem sich allenfalls leben ließe“.

 

„Eine der ersten Erfordernisse des Dichters ist Idealisierung, Veredlung, ohne welche er aufhört, seinen Namen zu verdienen….Alle Ideale … sind gleichsam nur Ausflüsse eines inneren Ideals von Vollkommenheit, das in der Seele des Dichters wohnt. … Diese Idealisierungskunst vermissen wir bei Hn. Bürger“.

 

 

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

 

„Es ist traurig anzusehen, wie ein außerordentlicher Mensch sich gar oft mit sich selbst, seinen Umständen, seiner Zeit herumwürgt, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Trauriges Beispiel: Bürger.“

 

„Bürgers Talent anzuerkennen, kostet mich nichts, es war immer zu seiner Zeit bedeutend; auch gilt das Echte, Wahre daran noch immer und wird in der Geschichte der deutschen Literatur mit Ehren genannt werden.“ (1830)

 

 

Ein Göttinger Student (aus der Bürger-Biographie von Helmut Scherer)

 

„Bürger hat ein einladungsprogramm zu seinen vorlesungen geschrieben, worin er vom deutschen stil handelt. Es ist noch nicht zu haben, sonst hätt ich dirs gleich überschickt; denn es lohnt sich der Mühe, es zu lesen. Mit männlicher beredsamkeit und beißender satire rügt er die unverzeihliche nachlässigkeit der deutschen schriftsteller im stil, verbreitet sich besonders über den zustand des kanzleystils und pholosophirt überhaupt über den einfluß der sprache auf kultur. Tausend interessante bemerkungen trifft man darin an über schönen stil, über eintheilung der wissenschaften und künste, in höhere und schöne, über den begriff eines schönen geistes etc. Kant wird der erste philosoph auf erde genannt“.

 

 

Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)

 

„Herrn Amtmann Bürgers Ballade Frau Schnips ist eine der besten, die ich in meinem Leben gelesen habe. Allein mit dem Bekanntmachen, das ist nun so eine Sache, und mit dem nicht Bekanntmachen auch…. Und doch, hols der Henker! Darf man so etwas nicht ungedruckt lassen, das uns allen Ehre machen kann…. Nur das mußt Du dem Herrn Amtmann sagen, in meinem Namen, dass, wenn er sie bekannt macht, er wahrlich lieber die Zeiten ändern soll als eine Zeile darin!“

 

„Ich habe sein Begräbnis durch das Perspektiv mit angesehen…. Das Abnehmen vom Wagen konnte ich unmöglich mit ansehen, und ich musste mich entfernen. Es begleitete ihn niemand als Prof. Althof mit farbigem Kleide, Dr. Jäger und des Verstorbenen armer Knabe. Ich hätte nicht gedacht, dass das, was mich in den drei oder vier letzten Jahren so oft an Bürgern geärgert hat, bei dem soeben beschriebenen Auftritt kein geringer Trost für mich werden könnte: nämlich, dass er größtenteils an seinem Unglück selbst schuld war; vielleicht ganz allein.“

 

 

 

Heinrich Heine (1797-1856)     

"Die altenglischen Gedichte, die Percy gesammelt, geben den Geist ihrer Zeit, und Bürgers Gedichte geben den Geist der unsrigen. Diesen Geist begriff Herr Schlegel nicht; sonst würde er in dem Ungestüm, womit dieser Geist zuweilen aus den Bürgerschen Gedichten hervorbricht, keineswegs den rohen Schrei eines ungebildeten Magisters gehört haben, sondern vielmehr die gewaltigen Schmerzenslaute eines Titanen, welchen eine Aristokratie von hannövrischen Junkern und Schulpedenten zu Tode quälten. "

 

 

König Ludwig I. von Bayern (1786 – 1868 )

 

„Kein Nachahmer, Urdichter (original) ist Bürger, in Balladen seines Vaterlandes größter. Weil er der teutschen Sprache lebendigen Ausdruck fand, auf`s Meisterhafteste anwandte, darum wurde ihm eine Stelle Walhalla`s. Wie wenn das Auge ein unbekanntes holdes Land erblickt, so ist es dem, Bürger`s Werke lesenden Teutschen; freudig überrascht sieht er seiner Sprache ungeahnte Schönheit.“  Walhalla’s Genossen, König Ludwig I. von Bayern,   Literarisch-artistische Anstalt, München 1842

 

Theodor Fontane (1819 - 1898)

 

„Ich kann mir nämlich kaum einen ordentlichen Deutschen vorstellen, der nicht Bürger-Schwärmer wäre. Als Balladier steckt er doch den ganzen Rest in die Tasche; der Ruhm Bürger's hat mir immer als ein Ideal vorgeschwebt: ein Gedicht und unsterblich“. 

Gemeint ist „Lenore“



Novalis (1772 - 1801)

An Bürgern

den Sänger der Deutschen

1789

 

Trotz der Jugend, die um meine Wangen

Kaum noch erst den Pflaum des Jünglings schlang,

Fühlt ich doch oft der Empfindung Drang

Und der Ehrfurcht schimmerndes Verlangen

Meinen Busen hehr und hold umfangen,

Hörte früher Wollust Zaubersang;

Doch der Musen süßer Lautenklang

Ließ die Pfeile nicht zu mir gelangen,

Die Verführung auf mich abgeschnellt;

Und darum will ich auch nimmer fliehen,

Will mich süße Musenlust entglühen,

Wenn Apollo meinen Busen schwellt,

Will den Berg mich zu erklimmen mühen,

Den herunter Bürgers Quelle fällt.

      

Vermischte Bemerkungen:     

Zu den Veränderungen Übersetzungen gehört, wenn sie ächt seyn sollen, der höchste,

poetische Geist. Sie streifen leicht in die Travestie - wie Bürgers Homer in

Jamben - Popens Homer - die Französischen Übersetzungen insgesamt.

      

Brief im Oktober 1791 an Schiller:

...Bey Gelegenheit der Lektüre des Don Karlos habe ich noch einmal die Rezension von

Bürgers Gedichten gelesen und sie ist mir beynah in der Stimmung, worein Sie mich

versetzt hatten, noch zu gelind vorgekommen....